DIGITALES HANDTUCH UND ZWEIERKABINEN – DIE BAHN PLANT DIE ICE-FAHRT DER ZUKUNFT

Die Deutsche Bahn will das Bahnfahren attraktiver machen. Unter anderem hat sie nun eine Reservierungs-Idee präsentiert, die „gerade die Deutschen mögen werden“. Auch einen Nachteil im Vergleich zum Auto will die Bahn wettmachen. Doch die Pläne werfen schon jetzt Fragen auf.

Michael Peterson kennt seine Kunden. „Was redet die Bahn vom Bahnfahren von morgen, die kriegen ja noch nicht mal das Bahnfahren von heute hin?“, so würden womöglich viele auf eine Zukunftsmesse der Bahn reagieren, vermutet der Personenfernverkehrs-Vorstand der Deutschen Bahn (DB). Und Peterson räumt ein: „Und das stimmt.“

Doch das Problem der maroden Infrastruktur gehe der Konzern in den kommenden Jahren an und man müsse schon jetzt darüber nachdenken, wie man das Zugfahren im nächsten Jahrzehnt attraktiver machen kann. „Die Menschen sollen wieder eine Bahn erleben, die sie verdienen“, verspricht Peterson.

Schon in diesem Jahr soll dafür eine Neuerung eingeführt werden in den ICE der Bahn, von der Peterson überzeugt ist, „dass gerade die Deutschen es mögen werden“. Künftig soll man im Zug wie am Pool auf Mallorca sein Handtuch auslegen können, um den Platz dauerhaft zu belegen. „Digitales Handtuch“ nennt die Bahn dieses Produkt tatsächlich, wobei es natürlich auch noch eine technische Bezeichnung für die Funktion gibt: „Echtzeit-Belegtanzeige“.

Bislang erlischt die Reservierungsanzeige – wenn sie denn überhaupt richtig funktioniert – 15 Minuten, nachdem der Zug den Startbahnhof des Fahrgastes verlassen hat. Geht man danach ins Bordbistro oder zur Toilette, ist für andere Passagiere bislang nicht zu erkennen, dass der Platz besetzt ist. Wenn die Fahrgäste künftig über die App DB-Navigator den sogenannten „Komfort Check-in“ nutzen, mit dem man schon jetzt selbst sein Ticket entwerten kann, wird über dem Sitzplatz „Belegt bis“ angezeigt und dann der Name des Zielbahnhofs.

Eingeführt wird das System ab dem Sommer in mehr als der Hälfte der ICE. In einigen Modellen wird dann auch schon aus der Ferne an roten, grünen oder gelben Lampen über dem Sitz erkennbar sein, ob ein Platz belegt, frei oder reserviert ist. Um den Sitzplatz zu belegen, muss man auch keine Reservierung haben, es genügt ein gültiges Ticket ohne Reservierung, mit dem man den „Komfort Check-in“ durchführen kann.

Allerdings ist damit zumindest theoretisch auch denkbar, dass man schon von außen einen freien, nicht reservierten Platz blockiert. Denn der „Komfort Check-in“ ist bereits drei Minuten vor der geplanten Abfahrt des Zuges am Startbahnhof freigeschaltet. Man könnte daher am Bahnsteig stehend per Versuch und Irrtum probieren, ob Sitzplatznummern frei sind und sich diese schon vor dem Einsteigen blockieren. Bei der Bahn hält man das in der Praxis allerdings für kein großes Problem.

Auch die Befürchtung, dass künftig noch mehr leere Plätze dauerhaft blockiert sein werden, während die Fahrgäste stundenlang im Bordbistro sitzen, teilt Vorstand Peterson nicht. „Wir freuen uns, wenn die Menschen ins Bordbistro gehen“, sagt er. Ohnehin seien nur ein bis zwei Prozent aller Züge so stark ausgelastet, dass nicht alle Fahrgäste einen Sitzplatz finden. Wer sichergehen wolle, müsse weiterhin kostenpflichtig reservieren, er fürchte daher auch nicht, dass durch das neue System weniger Reservierungen verkauft werden könnten.

Experimente mit einem Mix aus Einzel-, Doppel- und Vierer-Kabinen

Einen weiteren Nachteil von Zügen im Vergleich zum eigenen Auto will die Bahn womöglich ab dem nächsten Jahrzehnt angehen. Bislang kann man im Zug keine vertraulichen Telefonate führen, ohne dass jemand mithören kann – oder muss. Bei der DB experimentiert man daher mit Mini-Abteilen für eine, zwei oder vier Personen – quasi eine Art rollende Telefonzelle. Dabei hatte die Bahn die bisherigen Sechser-Abteile gerade erst abgeschafft. In Zukunft könnte es wieder einen Mix aus Einzel-, Doppel- und Vierer-Kabinen geben.

Bislang gibt es allerdings nur Modelle in Originalgröße der Mini-Abteile in den Werkstätten der Bahn. Eingebaut werden könnten sie in die nächste Generation Züge, die ab 2031 unterwegs sein soll. Ob es dazu kommt, ist nicht entschieden, bis 2027/28 müsse man sich festlegen, sagt DB-Vorstand Peterson. Bislang werden die neuen Mini-Abteile von Fahrgastgruppen getestet, um festzustellen, ob es eine Nachfrage danach gibt.

„Das Feedback ist bislang sehr geteilt“, sagt Peterson. Während einige von den Möglichkeiten begeistert seien, halten andere die 70 Zentimeter breiten Kabinen für zu eng, wenn man sie mit einer zweiten, fremden Person teilen muss. Klar sei aber schon jetzt: Sollten die Mini-Abteile eingeführt werden, würden sie definitiv mehr kosten als gewöhnliche Sitzplätze, kündigt Peterson an. Die Entscheidung hänge aber vom Feedback der Test-Kunden ab.

Schon jetzt wertet die Bahn die Rückmeldungen ihrer Kunden, die gerade im Zug sitzen, nach eigenen Angaben mithilfe von künstlicher Intelligenz aus. Wer beispielsweise den QR-Code an den Sitzen abscannt und dort als Feedback gibt, dass es derzeit im ICE von Berlin nach München in Wagen 5 zu kalt ist, der kann damit womöglich schon jetzt eine kurzfristige Temperatur-Änderung erreichen. Das System werte die Rückmeldungen automatisch aus und könne dem Zugchef einen Hinweis geben, in dem betreffenden Wagen mal nach der Temperatur zu sehen.

All diese Neuerungen stellt die Bahn derzeit bei einer Konzern-Messe in Berlin vor. Das Ziel ist klar: Der Zug soll insbesondere im Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln wie dem Auto an Attraktivität gewinnen.

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