SACHSEN UND DIE SUCHT: SIEBEN ERKENNTNISSE AUS DEM AKTUELLEN SUCHTBERICHT

Alkohol bleibt das Problem Nummer eins in Sachsen - der Crystal-Konsum hingegen geht langsam zurück. Welchen Einfluss könnte die Cannabis-Legalisierung haben?

Alkohol, Cannabis, Crystal – viele Menschen in Sachsen haben Suchtprobleme. Im vergangenen Jahr haben sich knapp 45.000 von ihnen Hilfe in Suchtberatungsstellen gesucht. Etwa 18.000 kamen in eine stationäre Akutversorgung, 25.000 wurden ambulant betreut.

Das geht aus dem Suchtbericht der sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren hervor. Dafür werden Daten der sächsischen Suchtberatungsstellen, Krankenhäuser und sozialtherapeutischen Einrichtungen ausgewertet.

Das sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Bericht.

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Alkoholprobleme sind häufigster Behandlungsgrund

Alkoholprobleme bleiben in Sachsen der häufigste Grund, aus dem Menschen die Suchtberatungsstellen aufsuchen. Im vergangenen Jahr waren knapp die Hälfte aller Beratungen zu Alkohol. 2022 war der Anteil mit 48 Prozent genauso hoch. Zudem hatten 73 Prozent aller Patienten, die in Krankenhäusern wegen Suchtproblemen behandelt wurden, eine alkoholbezogene Störung. Auch dieser Wert blieb im Vergleich zum Vorjahr auf unverändert hohem Niveau.

Nach einer repräsentativen Erhebung im Rahmen von Bevölkerungsbefragungen im Jahr 2021 haben etwa 18 Prozent der Sachsen Alkoholprobleme. Für einen Teil der Konsumenten mündet dieser Konsum in einer Abhängigkeit, die sich beträchtlich für den Betroffenen, die Familien und die Gesellschaft auswirkt.

Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol zählen zu den vier häufigsten stationären Behandlungsgründen in den sächsischen Krankenhäusern. Von den mehr als 13.000 Fällen pro Jahr waren etwa drei Viertel Männer. Deutschlandweit starben 2022 insgesamt 15.111 Menschen an den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums - 1.297 davon in Sachsen. Mit etwa 29 Alkohol-Toten pro 100.000 Einwohner ist die Sterberate in Sachsen viel höher als im Bundesdurchschnitt.

Wieder mehr Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen

Von den 13.160 Menschen, die wegen einer alkoholbezogenen Störung im Krankenhaus behandelt werden mussten, sind 204 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Etwa 900 Patienten waren zwischen 15 und 19 Jahre alt. Die Zahl der Alkoholvergiftungen bei unter 18-Jährigen hat im Vergleich zu den Corona-Pandemiejahren wieder zugenommen – plus fünf Prozent auf 748 Fälle. Der Höchststand von 954 Fällen im Jahr 2019 wurde aber nicht erreicht.

Steigender Beratungsbedarf wegen Cannabismissbrauchs

Suchtexperten beobachten seit zehn Jahren eine kontinuierlich steigende Zahl von Menschen, die wegen Problemen mit Cannabis in die Beratungsstellen kommen. 15 Prozent der Beratungen drehten sich im vergangenen Jahr darum – das ist in Sachsen der zweithäufigste Beratungsanlass.

Wegen der Teillegalisierung von Cannabis wird ein weiterer Anstieg erwartet, sagt Beate Drowatzky, die Vorsitzende der Landesstelle. "Die veränderte gesellschaftliche Bewertung von Cannabis führt vielerorts zu einer hohen Verunsicherung bei Eltern und möglicherweise auch zur Verharmlosung der Substanz. Cannabis ist keine ungefährliche Substanz." Dennoch sei vermutlich nicht davon auszugehen, dass die Suchtberatungsstellen in den nächsten Wochen überrannt werden.

Allerdings werden die Suchtberatungsstellen ihre Angebote der Zielgruppe anpassen müssen. Das gelte auch für die medizinische Rehabilitation: Die Deutsche Rentenversicherung, die Reha-Maßnahmen in der Regel bezahlt, unterscheidet derzeit noch zwischen legalen und illegalen Drogen. "Wohin gehören dann Cannabiskonsumenten, deren Lebenswelt der Konsumenten illegaler Drogen eher gleicht als Konsumenten von Alkohol und Medikamenten?", fragt Drowatzky.

Vogtlandkreis bleibt Hotspot für Crystal

Die Zahl der Beratungen von Menschen mit Crystal-Suchtproblemen sinkt seit 2016 signifikant. In Sachsen ist das Niveau aber immer noch hoch. Im vergangenen Jahr wurden 3.423 Personen wegen Methamphetamin-Konsums in den Suchtberatungs- und -behandlungsstellen registriert – das sind 14 Prozent der Beratungen.

Die meisten von ihnen wurden in Leipzig und Dresden durchgeführt. Besonders hoch ist der Beratungsbedarf aber in Westsachsen: im Landkreis Zwickau, im Erzgebirgskreis und vor allem im Vogtlandkreis. Crystal sei außerdem besonders in der Suchtberatung in Gefängnissen ein großes Thema, heißt es im Bericht.

Verhaltenssüchte spielen nur eine geringe Rolle

In den sächsischen Suchtberatungsstellen machen die Behandlungen wegen Glücksspielsucht (533 Betroffene) und exzessiver Mediennutzung (554 Betroffene) nur einen Anteil von zwei bis drei Prozent aus. Die Suchtberatung übernehme aber gerade in diesem Bereich eine wichtige Lotsenfunktion. Sie arbeitet etwa mit der Schuldner-, Familien- und Erziehungsberatung sowie mit der ambulanten und stationären Psychotherapie zusammen.

Bei Ess-Störungen sind die Suchtberatungen vor allem ein erster Ansprechpartner für Betroffene und Angehörige. Sie zeigen Wege zu Hilfsangeboten wie Beratungszentren, Psychotherapeuten und stationären Therapien auf. Spezielle Beratungszentren für Menschen mit Ess-Störungen wie das des Suchtzentrums Leipzig verzeichnen eine hohe und seit einigen Jahren stark zunehmende Nachfrage. Innerhalb von drei Jahren hat sich die Zahl der Beratungen von 447 auf 890 im Berichtsjahr 2023 nahezu verdoppelt. In 93 Prozent der Fälle wurden Frauen beraten, 23 Prozent waren unter 18-Jährige. Die meisten von ihnen haben Magersucht.

Nur in drei Regionen gibt es genügend Fachkräfte

"Die Kapazitäten der Suchtberatungsstellen sind bereits bisher ausgelastet", sagt Beate Drowatzky. Es bestehen jedoch deutliche regionale Unterschiede in der Versorgung der ambulanten Suchthilfe. Nur in Leipzig, Chemnitz und dem Vogtlandkreis wird die angestrebte Fachkraft-Versorgung von mindestens 1:20.000 erreicht. Unterversorgung herrscht vor allem in den Landkreisen Mittelsachsen und Zwickau. Die Suchtberatung müsse bedarfsgerecht finanziert werden, fordert Drowatzky. "Es bleibt zu hoffen, dass die kommenden Haushaltsverhandlungen in Land und Kommunen dem Rechnung tragen und keine weiteren Einschnitte nach sich ziehen."

Mehr als die Hälfte der Betroffenen verspüren Besserung

Bei etwa 54 Prozent der suchtgefährdeten und suchtkranken Hilfesuchenden verbessert sich die Problematik, teilt die Landesstelle mit. Im Jahr 2023 wurden etwa 2.000 Reha-Anträge gestellt, 40 Prozent davon zur Drogenentwöhnung. Den Betroffenen wird aber auch anderweitig geholfen, etwa in enger Zusammenarbeit mit anderen Unterstützungssystemen. Viele Menschen haben nicht nur ein Suchtproblem, sondern auch psychische Beeinträchtigungen, Schulden, eine ungünstige Ausbildungs- und berufliche Situation oder familiäre Probleme. Etwa zwölf Prozent der Suchtberatungen werden von Angehörigen oder anderen Bezugspersonen in Anspruch genommen.

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